Antike französische
Großuhren
- Reisebericht - Morez, Juli 2009 -
Im Juli 2009 fahren wir, Gerlinde und Hans Eichler, in Richtung Süden, um zu erkunden, welche Spuren aus der Entstehungszeit der Comtoise-Uhren, Ihrer berühmten Konstrukteure und ihrer sagenhaften Geschichte im französischen Jura noch zu finden sind. Über die A61 und die A5 geht es südwärts und wir passieren bei Mulhouse die französische Grenze.
Anders als in Deutschland haben die Franzosen die liebenswerte Angewohnheit, ihre Autobahnen nicht nur mit Nummern zu versehen, sondern ihnen auch noch wohlklingende Namen zu geben. So trägt die Autobahn von Mulhouse nach Beaune den bezeichnenden Namen "La Comtoise", weil sie uns eben in die Franche-Comté (freie Grafschaft) führt. Eine erste Spur?
Im Mittelalter integrierte Karl der Große das Territorium in sein Königreich und im Laufe der Jahrhunderte wurde das Gebiet als Erbe, Heiratsgeschenk oder Kriegseroberung oft von Familie zu Familie und von Land zu Land gereicht. Durch die Hochzeit mit Beatrix von Burgund fiel die Region im 12. Jh.als Mitgift Friedrich Barbarossa zu. Er erhob das Territorium zur Freien Grafschaft, auf französisch: Franche-Comté.
Unser Weg führt uns vorbei an Belfort, der Hauptstadt des kleinen Départements "Territoire de Belfort". Belfort ist die Stadt des Löwen. Dieses 22 m lange und 11 m hohe imposante Wahrzeichen, das der Bildhauer Frédéric Auguste Bartholdi zwischen 1875 und 1880 aus rotem Vogesen-Sandstein errichtete, erinnert an die 103-tägige Belagerung der Stadt durch deutsche Truppen im Krieg 1870 - 1871.
Kurz hinter Montbéliard verlassen wir die "Comtoise", um den nach Kilometern kürzeren, zeitlich längeren aber in jedem Fall reizvolleren Weg ins eigentliche Zielgebiet, Morez und Umgebung, zu nehmen.
Nach ca. 40 km erreichen wir Morteau, ein Zentrum der Uhrenindustrie, die hier auf das Jahr 1680 zurückgeht. Das Uhren-Museum – „Musée de l’horlogerie“ – zeigt deren Geschichte. Für Interessierte: www.musee-horlogerie.com Ab Morteau folgen wir flußaufwärts bis Pontarlier dem Tal des "dubiosen" Flusses, des Doubs (von lat. dubius: ungewiss, zweifelhaft, hier wohl im Sinne von unberechenbar). Dieser Fluß besitzt tatsächlich viele dubiose und extreme Eigenschaften: Er hat zwar eine Gesamtlänge von ca. 450 km, seine Mündung liegt aber nur ca. 90 km von seiner Quelle entfernt, mal fließt er gemächlich, mal ist er ein reißender Strom, an manchen Stellen ist er 200 m, an anderen nur 6 Meter breit. Sein Weg wird gesäumt von tiefen Wäldern und schroffen Sandsteinklippen. Bereits zu Römers Zeiten wurde der Doubs dazu benutzt, um Fracht aus dem Mittelmeer über Rhône und Saône bis nach Montbéliard zu bringen. Wurde dieser Wasserweg im 18.Jh. teilweise schon dazu benutzt, Rohstoffe ins Jura bzw. fertige Comtoise-Uhren weiter ins Landesinnere zu befördern? Jedenfalls ist die Vermutung naheliegend. 1774 wurde sogar unter Louis XV. ein Plan entwickelt, den Doubs zu regulieren und mittels eines Kanals eine Verbindung mit dem Rhein und somit auch der Nordsee herzustellen (ähnlich wie sein Urgroßvater, Louis XIV, mit dem Canal du Midi eine Verbindung zwischen Mittelmeer und Atlantik geschaffen hatte), doch dieser Plan kam nicht zur Ausführung. Wir erreichen Pontarlier. Diese Kleinstadt nahe der Schweizer Grenze spielte aufgrund ihrer geografischen Lage schon früh eine bedeutende Rolle für den Warenaustausch zwischen Nord- und Südeuropa. Im 19. Jahrhundert war Pontarlier die Hauptstadt der Absinth-Produktion. Hier wurde 1805 von Henri-Louis Pernod die erste Absinth-Destillerie eröffnet. Diese Destillerie hat auf kuriose Weise zur Aufklärung eines geologischen Sachverhalts beigetragen: 1901 zerstörte ein Feuer die Fabrik. Dabei flossen über 1 Million Liter Absinth in den nahegelegenen Doubs.
Erstaunlicherweise nahm das Wasser in der ca. 15 km nordwestlich liegenden Quelle der Loue den Geruch und die Farbe von verdünntem Absinth an. Seitdem weiß man um die unterirdische Verbindung der Flüsse Doubs und Loue.
Zu unserem Erstaunen finden wir bei einem Antiquair in der Nähe von Pontarlier eine Comtoiser Standuhr mit einem Prägemotiv, dass wir noch nie vorher gesehen hatten und das auch in der Uhrenliteratur noch nicht auftaucht. Es zeigt einen Offizier und eine Marketenderin bei einem Trinkgelage. Ist dieser Fund ein gutes Zeichen? Sind wir auf einem guten Weg? Welche Neuigkeiten erwarten uns wohl noch?
Weiter in Richtung Morez passieren wir das mächtige Chateau de Joux, das im 10. Jh. erbaut wurde. Ab dem 18. Jh. diente es als Gefängnis und beherbergte u.a. Mirabeau (eine der führenden Persönlichkeiten während der Anfangszeit der franz. Revolution) und Heinrich von Kleist, der 1804 als vermeintlicher preußischer Spion 4 Wochen lang inhaftiert war. Die Festung beherbergt heutzutage ein Waffenmuseum mit Militaria der französischen Armee aus dem 18. Jh.
Vorbei am malerischen Lac de Saint-Point, dem drittgrößten französischen Natursee, der auf 850 Meter über Meereshöhe liegt, erreichen wir nach ca. 25 km den kleinen Ort Mouthe.